Sonntag, 27. Januar 2013

Florian Illies - 1913: Der Sommer des Jahrhunderts

Florian Illies - 1913: Der Sommer des Jahrhunderts
Genre: Sachbuch
Gebundene Ausgabe: 320 Seiten
Verlag: Fischer
Erscheinungstermin: Oktober 2019
ISBN: 978-3-10-036801-0 


Rilke hat Schnupfen und leidet. Franz Marc bekommt von seinem Schwager ein zahmes Reh namens Hanni geschenkt und malt für Else Lasker-Schüler eine Postkarte mit blauen Pferden. Diese liebt die Tiere sehr, aber nicht so sehr wie phasenweise ihren Gottfried Benn, der seinen Vater gar nicht mal so gern hat – wegen des Morphiums für seine Mutter. Und die Mona Lisa ist verschwunden.

Klingt trivial? Das ist es auch und das ist völlig in Ordnung. Florian Illies stellt mit „1913: Der Sommer des Jahrhunderts“ ein buntes Sammelsurium zusammen, das an Klatschzeitschriften wie die „Bunte“ erinnert, wobei er nicht über den neuen Dschungel-König, sondern über Karl Krauss, Käthe Kollwitz und Kafka tratscht, was ich persönlich sehr viel interessanter finde. Weg bleibt die Mona Lisa.

Wir erfahren, wie unglaublich zaghaft sich Kafka an Felice Bauer eventuell vielleicht ´ranzumachen versucht, also falls es ihr denn nichts ausmachen würde, zumal er ja nun wirklich ausgesprochen furchtbar auch und schon sehr schrecklich sei und sie ja doch so viel großartiger, aber falls es den eventuell keine allzu großen Umstände machen würde, könne man ja  – höchstens ganz theoretisch, wirklich – über eine Verbindung, also so etwas wie eine Hochzeit, nur ganz im Hinterkopf auch vielleicht nachdenken. Da ist Alma Mahler zu ihrem Verehrer Oskar Kokoschka schon eine ganze Ecke direkter: „Mal ein Meisterwerk und ich heirate dich.“ Wie auch im wahren Leben dreht sich sehr vieles um die Liebe - und ihre Freunde die Intrigen und die Lust. Mona Lisa ist immer noch nicht wieder da.
Monat für Monat verstößt Florian Illies gegen diverse Briefgeheimnisse und verknüpft diese mit unterhaltsamen Anekdoten, die sich zum großen Bild „1913“ zusammenpuzzeln lassen. Aber ein Geschichtsbuch über das Jahr vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges? Fehlanzeige. Politisch gesehen finden die meisten Charaktere den Frieden top, wohingegen Adolf Hitlers Aquarell-Postkarten nicht so gut ankommen. Dieses Buch erklärt also nicht den Weltkrieg, dafür aber den Kleinkrieg zwischen Sigmund Freud und C. G. Jung und das mit einer entwaffnenden Leichtigkeit. Von der Mona Lisa fehlt immer noch jede Spur.

Wort für Wort sitzt jede Pointe oder wird bewusst weggelassen und das Lapidare des Sommers des Jahrhunderts bis ins Komisch-Absurde wiederholt. Dabei werden die einzelnen Handlungsstränge der verschiedenen Künstler, Autoren, Politiker und ihrer jeweiligen Frauen und Männer so gekonnt miteinander verknüpft, dass es scheint, als spiele das Jahr 1913 in einer Serie, in der halt irgendwann auch mal genug Charaktere neue Liebhaber angeschleppt haben: Jetzt wird fröhlich durch die Gegend getauscht. Das einiges dabei irgendwann konstruiert wirkt, wird gekonnt als Stilmittel genutzt, um den Leser mit noch mehr unnützem Wissen zum Schmunzeln zu bringen. Apropos: Robert Musils säuberlich eingetragenes „C“ im Tagebuch steht für „Coitus“, den er an eben jenen Tagen mit seiner Frau vollzog. Die Sache mit der Mona Lisa geht doch noch gut aus- im ereignisreichen und gleichzeitig ordinären Jahr 1913.

 Note: 2

  • Humor: 2
  • Anspruch: 1,5
  • Spannung: /
  • Erotik: /
  • Piratenfaktor: 2

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