Sonntag, 6. Januar 2013

Gaito Gasdanow - Das Phantom des Alexander Wolf

Genre: Gegenwartsliteratur
Hardcover: 192 Seiten
Verlag: Hanser
Erscheinungstermin: August 2012
ISBN: 978-3-446-23853-4

Die Sonne brennt über der russischen Steppe. Der Bürgerkrieg hat ein riesiges Land in Fronten geteilt. Ein sechzehnjähriger Soldat, getrennt von seinen Gefährten, reitet, benommen von Hunger und Anstrengung, durch ein kleines Waldstück, während er sich verzweifelt nach Ruhe, Schlaf und Erlösung sehnt, als plötzlich ein Schuss sein Pferd zu Boden wirft. Wie in einem Fiebertraum erhebt sich unser Held schwerfällig, und kaum erblickt er den Feind, spürt er auch schon, wie die Pistole in seiner Hand feuert. Sein Gegenüber sinkt zu Boden. Ein Tag im Krieg. Der noch jugendliche Soldat beugt sich fast reumütig und wie in Trance über den sterbenden Feind, bis er schließlich zu Gedanken kommt und flieht.

Gegen Ende des Krieges spülten die Wogen der Geschichte den jungen Soldaten letztendlich nach Paris - wie so viele russische Exilanten. Die Jahre vergehen, doch vergessen konnte er, der namenlose Ich-Erzähler, diesen Tag in der fiebrigen russischen Steppe des Krieges nie. Wie ein Schleier lastet die Erinnerung an den einzigen Mord, den er jemals begangen hat, auf seinem Leben.

Und dann fällt ihm, nach Jahrzehnten, ein Roman des Schriftstellers Alexander Wolf in die Hände. Bis ins letzte Detail beschreibt Wolf den schicksalsträchtigen Tag in dem Waldstück. Alles ist deckungsgleich mit den Erinnerungen unseres Helden - nur, dass es aus der Perspektive des Mannes geschrieben ist, den er glaubte, getötet zu haben. Für ihn steht fest: Er muss diesen Alexander Wolf finden. Er ahnt nicht, dass dieser nicht einmal so weit entfernt ist.

Was für ein Plot, oder? Als ich den Klappentext las, war ich mir absolut sicher, dass nichts, wirklich nichts mehr schief gehen könnte; dies musste ein fantastischer Roman sein. Leider war ich zu voreilig. Nach diesem wirklich fulminanten Einstieg gerät die Handlung leider immer wieder ins Straucheln und erlahmt. Gasdanow verliert, während er die komplizierte Affäre zwischen dem Protagonisten und einer mysteriösen Geliebten schildert, spürbar den Boden unter den Füßen. Die rasante Eröffnung verpufft, und die Geschichte verschwimmt teilweise zu einem grauen Brei aus trister Selbstreflexion und dem trockenen Gerede über eine Beziehung, die den Leser nicht gerade in ihren Bann zieht.

Versteht mich nicht falsch, was Gasdanow zu sagen hat, ist keinesfalls flach, dümmlich oder plump, ich hatte mir nur irgendwie etwas Anderes, etwas mehr erhofft. Es liegt an mir, nicht an ihm. Je mehr die Seitenzahl voranschreitet, desto weniger weiß die Handlung auch ihr anfängliches Niveau zu halten. Und als Gasdanow zu seinem Schlussakkord ansetzt, überlege ich bereits, was ich bloß zum Abendbrot esse, oder wann ich eigentlich zum letzten Mal ein Buch gelesen habe, das mich wirklich, so richtig, in seinen Bann gezogen hat.

Alles in allem: Ein Roman, der sicherlich seine Leser findet und auch zu bezaubern weiß, geht man mit den richtigen Erwartungen heran.

 Note: 2,75

  • Humor: /
  • Anspruch: 2
  • Spannung: 3
  • Erotik: 2
  • Piratenfaktor: 4

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