Montag, 21. Oktober 2013

Ewan McGregor/Charley Boorman - Long way round

Taschenbuch:  320 Seiten
Verlag: Piper Verlag
Erscheinungstermin: April 2012
ISBN: 978-3-492-27336-7

"Change your life. Take your time. Take the Long Way."

MotorradfahrerInnen sind merkwürdige Menschen. Freaks, um es genau zu sagen. Ich weiß das. Ich bin eine von ihnen.

Sie können sich stundenlang über Straßenverhältnisse, Strek- ken, Ausrüstungsgegenstände, Zubehör und vor allem über ihre heiß geliebten Maschinen unterhalten. Mögen sie auch sonst nichts gemein haben, über das Bike finden sie immer wieder zueinander. 

Bei manchen beginnt diese Leidenschaft sehr früh - so wie bei Ewan McGregor und Charley Boorman. Woher sie kommt, ist nicht zu klären. Vermutlich ein Virus, den man sich einfängt und nicht mehr loskriegt.

Mich hat dieser Virus relativ spät eingefangen, mit 25 Jahren genau gesagt, und er ist immer noch aktiv. Nach der Lektüre von Long way round stärker denn je. Es kribbelt in den Fingern, die Maschine zu warten, startklar zu machen für den nächsten Frühling, der anbricht, wenn es ca. 12 ° Celsius haben wird. Dann werden Pläne geschmiedet. Pläne für Ausbrüche aus dem Alltag, Fluchten in die absolute Freiheit, die es für uns Freaks nur im Sattel der geliebten Maschine wirklich gibt. Zumindest stellt sie sich dort am schnellsten und zuverlässigsten ein.


Auch Ewan McGregor und Charley Boorman erging es 2005 so. Kennengelernt haben sie sich am Set für einen Film. Charley erkannte in Ewan sofort den Seelenverwandten und ebenfalls Infizierten. Und so begann die Geschichte einer Freundschaft, die auf einem Wahnsinnstrip rund um die Welt manches Mal arg auf die Probe gestellt wurde und allem standhielt.

Start- und Zielpunkt war London. Über Belgien, Deutschland, Tschechien und die Slowakei ging es immer tiefer hinein nach Eurasien. Quer durch Kasachstan über die Mongolei nach Sibirien. Der wohl härteste Streckenabschnitt. Dann von Magadan aus per Flugzeug nach Alaska, durch Amerika nach New York und von dort wiederum per Flugzeug nach Großbritannien, um dort die letzten Kilometer zurück nach London mit dem Bike zu fahren.


Ein Vorhaben, das lange und gut geplant sein will. Unterstützung wurde in einem professionellen Planungsteam und Finanzierungshilfe durch einen Fernsehsender, der Interesse an einer Dokumentation hat, gefunden. Aber irgendwann ist der Tag gekommen, an dem es losgeht. Vier Monate zu Zweit auf zwei robusten Motorrädern, tausende Kilometer entfernt von Frau und Kindern, auf sich und die eigenen Fähigkeiten gestellt. Einerseits ein Traum – den nicht nur Männer träumen (ich weiß, wovon ich spreche) – andererseits eine von Wehmut, Zweifeln, Ängsten und Sehnsucht geprägte Situation


Long way round
zeigt eindringlich, wie eine solche Reise das Innenleben durcheinander wirbeln und dann neu sortieren kann. Es gibt Momente, in denen man scheinbar nicht weiter- kommt und plötzlich sind da mitten in der Weite der Mongolei Menschen, die einfach helfen. Das kann kein Zufall sein – das ist eine Fügung. Zu lernen, mit diesen Fügungen umzugehen, neue Impulse ohne Angst und Misstrauen aufzunehmen, mit sich und dem Team klarzukommen nach im Stehen (weil es die schlechten Straßenverhältnisse nicht anders zulassen) gefahrenen 300 Kilometern und die eigenen Begrenzungen immer weiter zu
stecken, das bleibt die Quintessenz solcher Reisen.


Eindrucksvolle Bilder von wunderbaren Landschaften, schönen Menschen und natürlich zwei ausgelaugten, aber glücklichen Fahrern und ihren Bikes, unterstützen das Leseabenteuer auch visuell.


Ein Buch, an dem kein Biker vorbeikommt.


Nicht-Biker aber seien gewarnt: sicherlich ist der Reisebericht was Länder und Menschen angeht interessant und spannend. Vor allem weil die beschriebenen Etappen immer im Wechsel von Ewan und Charley erinnert werden und somit zwei durchaus unterschiedliche Sichtweisen aufzeigen. Aber es gibt Abschnitte, bei denen Nicht-Biker sich sicherlich fragen, ob es nötig ist, ganze Absätze auf die Beschaffenheit von Straßenbelägen zu verwenden oder in epischer Breite von Ausrüstungsgegenständen und Motorrädern zu erzählen. Für Biker ist das aber genau der Reiz, den dieses Buch mit ausmacht.


Mir kribbeln nach der Lektüre die Finger und ich kann es kaum erwarten, dass mein Motorrad überholt und vollgetankt vor meiner Tür stehen wird. Bis es so weit sein wird, werde ich mir die Zeit (auch) mit der Lektüre von Long way down, Jupiters Fahrt und Jupiters Träume verkürzen oder die Internetseite der beiden Freaks zu dieser Tour besuchen.

Note: 2,0

•   Humor:2,5
•   Anspruch: 2,0
•   Spannung: 2,5
•   Erotik: /
•   Piratenfaktor: 1


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen