Montag, 8. September 2014

David Mitchell: Der dreizehnte Monat

Genre: Gegenwartsliteratur, Bildungsroman
Taschenbuch: 496 Seiten
Verlag: Rowohlt
Erscheinungsdatum: Februar 2009
ISBN: 978-3-499-24876-4

Ohne Umschweife: David Mitchell zählt für mich zu den besten Erzählern der gegenwärtigen Literaturlandschaft, und auch, wenn er mit seinem 2006 auf Deutsch erschienenen Episoden-Epos "Der Wolkenatlas" sicherlich sein bisheriges - und gerade durch die mit Tom Hanks verfilmte Version viel beachtetes - Meisterstück geliefert hat, ist dies eigentlich nur ein weiterer Grund, sich einmal mit dem übrigen Schaffen des Briten auseinanderzusetzen.

In "Der dreizehnte Monat" spielt sich diesmal nun jedoch das ganze Geschehen in einer einzigen Episode ab: das Jahr 1982 im Leben des 13-jährigen Jason Taylor aus Black Swan Green, Worcestershire, einem grauen Kaff in der Provinz der englischen West Midlands. Black Swan Green ist genau jenes England, das wir uns, zugegebenermaßen ein wenig oberflächlich, vorstellen, wenn wir versuchen, an alles Englische, jenseits des allmächtigen Londons, der mit Schornsteinen gespickten Industriemetropolen Manchester, Birmingham oder Liverpool, oder der kitschigen pilcheresken Idylle Cornwalls, zu denken. Black Swan Green in der Thatcher-Ära, das sind kleine Häuser mit Garten, Wind, Regen, Äcker und Wälder. Ein Nest, wie Mitchell eine seiner Romanfiguren zynisch bemerken lässt, indem man nie ein Einheimischer werden würde, wenn mich nicht schon seit den Rosenkriegen dort lebte.

Für Jason Taylor ist es ein Jahr der Konflikte, denn diese scheinen sich in jeder Faser und auf jeder Ebene seines Lebens zu äußern. Da ist der Krieg zwischen England und Argentinien um einige karge Inseln, weit, weit entfernt von Britannien. Da ist das raue Leben in der Schule: Die Dorfjugend ist verstrickt in pubertäre Grabenkämpfe um Ansehen und Mädchen. Auch in der Familie ist bei Weitem nicht alles harmonisch: Während sich seine Eltern in einer Art ehelichem Kalten Krieg befinden, muss Jason immer wieder unter den ruppigen Anfeindungen seiner älteren Schwester leiden. Dabei hat der junge Teenager schon genug Probleme mit sich selbst. Er ist begeistert von Gedichten und Literatur, bemüht sich jedoch nach Kräften, dies geheimzuhalten, gelten solche Dinge doch unter Jungen als "schwul" und würden demnach seine Bemühungen um Anerkennung unter den Altersgenossen selbstverständlich torpedieren. Doch ein Problem schwebt über allem wie ein großer dunkler Schatten, der sich nie so ganz vergessen lässt: Jason stottert.

Wie seine Romanfigur war auch David Mitchell selbst in seiner Jugend Stotterer, was selbstverständlich den Verdacht autobiografischer Bezüge nahelegt, zumindest aber erklärt, wie es Mitchell möglich war, so eindringlich die Zerrissenheit und Verletzlichkeit des jungen Jason zu vermitteln. Jede Sekunde und jeder Gedanke sind ein Kampf mit dem Dämon - nur, wenn Jason schreibt, also mit seiner inneren Stimme spricht, wenn man so will, stottert er nicht.

"Der dreizehnte Monat" ist ein durchweg solider Coming-of-Age-Roman, eindringlich und persönlich, dessen sympathisch jugendlicher Erzähler mit all seinem Jargon und seiner dramatisierten Ausweglosigkeit Erinnerungen an die eigene Jugend als Junge in einer zuweilen kauzigen Kleinstadt weckt. Zugegeben, dies ist kein Wolkenatlas, zumindest aber die Kartographie eines Teenager-Jahres in einer komplizierten Welt, voller realer Grausamkeiten, Widersprüche und Missverständnisse.


Note: 2,0

  • Humor: 2
  • Anspruch: 2
  • Spannung: 2
  • Erotik: /
  • Piratenfaktor: 2          

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